Von Neuhaus über die Brecherspitz
Von Neuhaus steigst du steil hoch auf einen U-förmigen Grat mit wundervollem Rundblick bis nach München. Im Hintergrund die Schlierseespitz (1.279 m) mit Blick auf den Schliersee und das Voralpenland bis München.
Neuhaus liegt kurz hinter Schliersee und ist, wenn man an einem sonnigen Spätsommermorgen zwischen den schmucken Häuser hindurch in Richtung Berge wandert, so etwas wie die Insel der Glückseligen: Die Häuser sind allesamt neu und groß und geräumig, teilweise vollständig aus Holz gebaut, alles wirkt wohlhabend, beschaulich, gut. Als sei die Zeit stehen geblieben. Ein geradezu absurder Gegenentwurf zu, sagen wir einmal, den Betonhöllen an der Tegernseeer Landstraße in München. Das macht einen schon nachdenklich, denn wer in Neuhaus wohnt, hat allen Grund zu wollen, dass sie niemals auch nur ein bisschen was ändert.
Dies ist aber kein philosophisches Stück, sondern eine kleine Wanderungserzählung. Du startest also am Bahnhof in Neuhhaus (der sich auch sehr einfach direkt aus München ohne Auto erreichen lässt), durchquerst Neuhaus und biegst wenige Meter außerhalb der Ortschaft rechts ab in den steil ansteigenden Hang. Die Runde lässt sich auch in umgekehrter Richtung angehen, doch es hatte geregnet, und die nassen Wurzeln im schlammigen Waldgrund schienen uns im steilen Anstieg weniger heikel als bei einem Abstieg. Der schmale Trail ist zugewachsen und sehr leicht zu übersehen, außerdem ist er nichts für Sonntagsspaziergänger.
Nach etwa einer halben Stunde krassem Anstieg bist du richtig warm und stehst am ersten Gipfel, der Anklspitz auf 1.112 Metern, von wo es bereits einen atemberaubenden Blick auf den Schliersee und die umliegenden Ortschaften im Tal gibt. Von der Anklspitz windet sich der Weg auf einem U-förmigen Grat weiter aufwärts, wobei die Anklspitz am linken oberen Ende des U liegt und die Brecherspitz rechts unten am U.
Kurz nach der Schlierseespitz (1.279 m) haben wir es versäumt, auf dem Grat zu bleiben und sind versehentlich schräg hinab zur Ankel-Alm gestiegen, die eigentlich erst als Rastpunkt für den Rückweg vorgesehen war. Um den Fehler zu korrigieren, stiegen wir wieder steil nach oben über eine Kuhweide, um nach rund 300 zusätzlichen Höhenmetern wieder auf dem Grat anzulangen.
Die Brecherspitz erreichst du über ihren Vorgipfel (1.643 m), an dem erst mal eine schöne Brotzeit fällig war. Der Grat war bis hier wenig begangen - was daran liegen mag, dass er sehr steil, anspruchsvoll und an etlichen Stellen auch ausgesetzt ist - sehr erstaunlich für eine eher harmlose Bergwanderung in den Münchner Hausbergen, die ja allesamt noch zum Voralpenland gehören.
Ab dem Vorgipfel ist aber Schluss mit der Einsamkeit, denn es kommen jede Menge Wanderer von der Firstalm dazu, ein wesentlich leichterer Anstieg oder vom Spitzingsee (du kannst mit dem Auto bis zum Spitzingsattel und dort parken - wesentlich weniger Höhenmeter zu gehen als von Neuhaus.
Nach der Brecherspitz geht es auf dem U wieder steil bergab, der Abstieg ist technisch nicht schwer, erfordert aber auch Trittsicherheit und geht auf die Knie.
Eine wundervolle Runde, die sich je nach Erfahrung und Kondition leicht in drei bis fünf Stunden machen lässt - und mit der kurzen Anfahrtszeit von München eine ganz wundervolle Kurz-Tour für einen sonnigen Tag.
👉 kleine Beiträge wie dieser sind Erinnerungen: an reine Freude, die ich empfunden habe - und häufig auch immer wieder, wenn ich sie sehe. Ein ungewöhnlicher Blick, überraschende Sichtweisen und Entdeckungen, inspirierende Kreativität, ein schöner Gedanke, gelungenes Handwerk, schöne Formulierungen, Dinge mit Seele. Sie sind vollkommen zweck- und absichtsfrei - und trotzdem alles andere als sinnlos: Es tut unendlich gut, sich jeden Tag über etwas zu freuen. Und sei es noch so unbedeutend. Enjoy!