Überschreitung des Rabenkopf
Der Rabenkopf steigt vom Kochelsee aus rund 1.000 Höhenmeter an und gehört zu den leicht erreichbaren Münchner Hausbergen.
Was eine "kleine Tagestour" von München aus ist, definieren ja nicht nur die Konditionsverhältnisse und die Höhenmeter, es kommt auch immer auf die Verkehrslage an. Zum Kochelsee über den Mittleren Ring und die A95 Richtung Garmisch geht aber eigentlich immer - anders als über die notorisch überfüllte A8 Richtung Salzburg.
Für diese Tour musst du auch nicht unbedingt im Morgengrauen aufstehen, es reicht, wenn du gegen acht aus dem Bett kriechst und um zehn oder auch um elf vor Ort in Kochel einen Parkplatz suchst (Bahn geht auch aber der Zeitaufwand ist dann deutlich höher).
Die Tour beginnt mit sanftem Anstieg entlang eines murmelnden Alpenbächleins mit zahlreichen grünen Gumpen, und kaum bist du richtig warm, begrüßen dich auch schon zwei allerliebste Wasserfälle im romantischen alten Märchenwald. Danach geht es erst richtig zur Sache: Die Mehrzahl der Parkplatzvollsteller kommt eh nicht weiter als bis zum hinteren Wasserfall und geht auf gar keinen Fall einen der steilen Trails. Spätestens ab da bist du allein, auch wenn unten an den Wasserfällen eigentlich immer wer ist. Nun geht es mehr oder weniger in der Diretissima in engen Schleifen den Berg rauf. Im Handumdrehen hast du mehrere hundert Höhenmeter gewonnen und der Rücken am Rucksack ist erst mal verschwitzt. Aber die Aussicht ist grandios.
Es geht ein gutes Stück durch den sehr stillen und weiter sehr steil ansteigenden Wald, der Waldboden federt torfig-braun, ist mit den unzähligen Wurzeln aber nicht ohne. Gegen Mittag erreichst du den grasigen Grat, dem du weiter Richtung Osten folgst. Links und rechts geht's nun steil runter - aber nie so, dass Höhenangst angesagt wäre. Trittsicher solltest du aber trotzdem sein. Nach kurzer Zeit passierst du das Feuereck (1.407 Meter), das immer noch komplett im Wald liegt aber bereits grandiose Fernblicke in mehrere Richtungen öffnet. Immer am Grat entlang geht es dann weiter bergauf bis zum Rabenkopf (1.555 Meter), von dem aus du in östliche Richtung auf die Benediktenwand blickst, nach Norden ins Voralpenland mit dem braunen Murnauer Moos direkt zu deinen Füßen - und ganz rechts hinten am Horizont hinter dem Starnberger See München in der flachen Hochebene.
Nach Westen geht der Blick vom Kochelsee über die anderen Münchner Hausberge, auf denen wir allesamt schon so oft gestanden sind, den Herzogstand mit dem Gratweg zum Heimgarten und der Jochberg in direkter Nachbarschaft. Es folgt ein Eintrag ins Gipfelbuch (ja, es gibt eine Metallbox mit Gipfelbuch, sogar ein Stift ist drin) und eine ordentliche Brotzeit. Und dann kannst du entscheiden, ob du genau den gleichen Weg wieder absteigst - oder eher nach Süden ein Stück talwärts bis zur Staffelalm, dort ein Weißbier trinkst und erst dann an der Südflanke des Rabenkopfs zurückquerst. Da es einen Gegenanstieg gibt, sind das noch einmal rund 300 zusätzliche Höhenmeter, die nicht unbedingt sein müssen, der Strecke aber zusätzliche Abwechslung bescheren.
Knappe elf Kilometer bei 1.100 Höhenmetern - das ist keine Tour für Ungeübte aber gut an einem Tag zu machen und mit grandiosen Weitblicken.
👉 kleine Beiträge wie dieser sind Erinnerungen: an reine Freude, die ich empfunden habe - und häufig auch immer wieder, wenn ich sie sehe. Ein ungewöhnlicher Blick, überraschende Sichtweisen und Entdeckungen, inspirierende Kreativität, ein schöner Gedanke, gelungenes Handwerk, schöne Formulierungen, Dinge mit Seele. Sie sind vollkommen zweck- und absichtsfrei - und trotzdem alles andere als sinnlos: Es tut unendlich gut, sich jeden Tag über etwas zu freuen. Und sei es noch so unbedeutend. Enjoy!