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Routenplanung und Navigation bei Ultracycling und Bikepacking

Ride with GPS Routenplanung

Die Route für das Atlas Mountain Race kam vom Veranstalter in der App "Ride with GPS". Die kannte ich voher noch kaum. Sie ist toll.

Über die richtige Routenplanung für Bikepacking und Radtouren generell sind schon ganze Bücher geschrieben worden. Jeder hat da seinen eigenen Präferenzen, und das ist auch in Ordnung so. Ein paar Gedanken lassen sich aber durchaus verallgemeinern. Ich versuche es mal.


Verlässlichkeit und Laufzeit sind Trumpf: Die Wahl der Navigations-Hardware


Bei so einer großen Unternehmung wie dem Atlas Mountain Race möchtest du auf gar keinen Fall mitten im Nichts stehen und deine Navigation lässt dich im Stich. Selbst mit funktionierendem und exaktem Routing gibt es auf solchen fixed Routes zahlreiche missverständliche Stellen, an denen du falsch abbiegen oder die Wegführung aus dem Blick verlieren kannst - ohne exakte GPS-Navigation bist du schlicht aufgeschmissen. Du bist in einem Flussbett unterwegs oder in weitgehend weglosem Gelände.


Es ist Nacht, du bist müde und verpasst die Stelle, an der du das Flussbett verlassen und nach links hättest abbiegen sollen. Weil GPS-Routen durchaus einige Meter Abweichung haben können, sieht es auf dem Computer mitunter so aus als wärst du exakt auf dem Weg - und bist verwirrt, weil weder Spuren zu sehen sind, noch die Gegend so aussieht als seist du hier richtig. In solchen Fällen nützen auch auf Papier ausgedruckte Backups nichts, weil sie viel zu ungenau sind und immer fortgeschrittene Orientierungsfähigkeiten erfordern, zum Beispiel das exakte Einnorden einer Karte und Navigation nach Kompasszahlen. Außerdem existiert einfach nicht ausreichen genaues Kartenmaterial für Länder wie Marokko oder z.B. auch Argentinien - allenfalls das Militär hätte ausreichend genaue Karten.


Bei Nacht ist die Sache immer viel schwieriger - und die Nächte beim Atlas Mountain Race sind lang (etwa zehn Stunden Dunkelheit am Tag), weil das Rennen Anfang Februar mitten im Winter stattfindet. Ganz ohne Navi bist du einfach lost.


Bemerkst du Navigationsfehler rechtzeitig, kannst du immerhin korrigieren, verlierst aber Zeit. Bemerkst du es zu spät, kannst du das Rennen vergessen - du wirst schlicht die nächsten Checkpoints nicht rechtzeitig erreichen. Ist auch dieses Jahr wieder einigen Teilnehmern passiert.


Auf so einem Rennen ist alles möglich, die Belastungen sind extrem, nicht nur für die Teilenehmer*innen, sondern auch für das Material. Navigation ist eine kritische Funktionaliät. Du solltest nicht nur alle deine Geräte aus dem Effeff beherrschen, sondern auch die benutzte Navigations-Software mit allen Funktionalitäten ("keine Alternativroute bei Abweichung vorschlagen" "Führ mich an die Stelle zurück, an der ich die Route verlassen habe" usw. Es ist wie mit jedem anderen Detail der Ausrüstung: Was du nicht in- und auswendig kennst, bis zum Umfallen geübt und ausprobiert hast: Verwende es nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass dich etwas Neues in unvorhersehbare Schwierigkeiten bringt, ist beim Ultracycling so hoch, dass ich nur davon abraten kann. Aus schmerzhafter eigener Erfahrung.


Der neue Edge 1050 ist ein tolles Gerät - aber weniger gut geeignet fürs Ultracycling  als der Edge 840 Solar


Genauso wie bei meinen Powerbanks, akkubetriebenen Lampen oder dem iPhone, messe ich während der Vorbereitung die genauen Laufzeiten und die Zeit fürs Nachladen via Powerbank und Netzteil. Und ich klügele mir exakt aus, welches Geräte-Setup einen optimalen Kompromiss aus Funktionalität und Laufzeit bietet. Bei Nacht kann das anders aussehen als tagsüber. In jedem Fall schalte ich nicht benötigte LEDs und Töne am Radcomputer und iPhone ab. Bluetooth? Abschalten! WLAN? Abschalten! Und da ich bei Nacht auch in der Regel mit Stirnlampe unterwegs bin, kann ich u.U. sogar auf die Hintergrundbeleuchtung des Displays verzichten, was ebenfalls eine Menge Strom spart. Nur: Für solche Details musst du deine Geräte auch wirklich beherrschen.


Beispiel Radcomputer. Bringt ein Hersteller kurz vor dem Wettbewerb ein nagelneues tolles Gerät auf den Markt bringt? Sofern es nicht möglich ist, den neuen Radcomputer mit allen seinen Stärken und Schwächen im Detail zu erproben - fahr mit deinem alten Gerät! Beispielsweise hatte ich mir testhalber einen nagelneuen Garmin Edge 1050 bestellt: Sein neues verbessertes und sehr scharfes kontrastreiches Display ist den älteren Garmin Edge auf den ersten Blick überlegen. Was sich aber erst im Dauertest zeigte: Das Gerät ist nicht fürs Ultracycling optimiert, sondern für Mainstream-Nutzer, die selten mehr als 300 Kilometer am Stück zurücklegen.


Das hellere Display bringt einen Nachteil mit sich, der den Edge 1050 blitzartig für mich aus dem Rennen geworfen hat (ich habe ihn umgehend zurückgeschickt): Das bessere und größere Display braucht deutlich mehr Strom als mein Edge 840. Das hat mich überrascht, denn die Unterstellung bei weiterentwickelter Gebrauchselektronik sind stromsparendere Bauteile und Fortschritte bei Verlässlichkeit und Laufzeit. Denkste! Das Gegenteil ist der Fall. Außerdem ist der Edge 1050 beinahe doppelt so schwer wie der 840. Als Solar-Variante lädt der Edge 840 im grellen Licht der marokkanischen Wüstensonne außerdem ganz akzeptabel nach - das reicht bei dem winzigen Solarpanel unter dem Display zwar selbst bei einem kompletten Sonnentag nicht aus, um ganz ohne Nachladen über die Distanz zu kommen. Es verlängert die Laufzeit des Edge 840 Solar aber immerhin spürbar. Bei Garmin mag ich die UX nicht. Sie kann zwar viel, ist aber alles andere als intuitiv bedienbar. WAHOO ist da deutlich klarer. Auch hier: Nimm, was du sicher beherrschst.


Dateiformate, Offline-Daten und Dateigrößen


Ein weiteres "Highlight" der Navigation bei extrem langen Biketouren sind die Datenmengen. Je mehr Navigationspunkte und POIs die Route enthält, desto wahrscheinlicher wird es, dass dein Radcomputer irgendwann durcheinander kommt. Und das kann mitten auf dem Track im Nichts passieren. Ist mir bei der ISTRIA300 nach rund 200 km passiert - da war es kein Problem, weil ich auf einer abgesperrten und ausgeschilderten Strecke unterwegs war, hat aber trotzdem Zeit und Nerven gekostet.


Der Garmin hatte sich einfach aufgehängt. Eingefroren. Manchmal reicht dann ein Neustart oder ein Reset. Aber dann kann es passieren, dass deine Aufzeichnung unterbrochen wird oder ganz verloren ist (übrigens habe ich mir deswegen angewöhnt, mit einem zweiten Gerät parallel aufzuzeichnen - im Fall des Atlas Mountain Race war das Backupgerät mein Garmin InReach, mit dem ich im Notfall auch einen Hilferuf über das Satellitennetz Iridium hätte absetzen können (in abgelegenen Gebieten ohne Mobilfunknetz kann dir das buchstäblich den A... retten). Das InReach speichert z.B. alle zehn Minuten einen GPS-Tracking-Punkt (was völlig ausreicht) und kommt damit ohne Nachladen locker über eine Woche Laufzeit.


Aber zurück zu den Datenmengen auf dem Radcomputer: Sowohl mit Garmin- als auch mit WAHOO sind mir bei längeren Distanzen Geräte ausgefallen. Ich kann nicht genau sagen, woran es lag, da es aber immer Distanzen jenseits der 250 Kilometer waren, muss es wohl an der Menge der GPX-Daten gelegen haben (.fit-Daten sind beim Import auf den Radcomputer besser als .gpx, sie sind genauer und offenbar auch verlässlicher). Ich habe mir angewöhnt, längere Touren in Tagesetappen aufzuteilen, die nur selten 230 Kilometer überschreiten. Damit bin ich datenmäßig auf der sicheren Seite - und sollte ich an einem Tag mehr als 230 Kilometer zurücklegen, starte ich einfach den Folgetag und pausiere die Aufzeichnung bei Bedarf.


Das iPhone kommt für die Navigation zwar nicht in Frage - aber als Zusatzgerät an heiklen Stellen


Ich kenne kein Smartphone, dessen Display bei 18 oder mehr Stunden nicht permanent am Ladelimit wäre. Ich kenne kein Smartphone, dessen Elektronik der Sonne und Hitze Andalusiens oder dem Anti Atlas gewachsen wäre: Wahlweise überhitzen sie und fallen deswegen aus - oder sie brauchen so viel Strom, dass du entweder eine superschwere Powerbank mit dir herumschleppen musst, viel Zeit mit Nachladen verlierst und ständig zusätzlich belastet bist mit der Frage, wo es eine Steckdose gibt, an der nicht schon zehn andere Teilnehmer ihr Gerät laden. Und dann wäre da noch das krasse Gerüttel eines Mountainbike-Kurses - selbst mit einer erschütterungsgedämpften Halterung hätte ich ein ganz mieses Gefühl, was mein teures Smartphone betrifft. Und über den Staub, der wirklich jede kleine Pore und Ritze gnadenlos zusetzt, haben wir auch noch nicht gesprochen.


komoot, das nach vielen Jahren des Wachstums zu einer wundervollen, übersichtlichen und im Alltag sehr einfach und gut zu bedienenden App geworden ist, hat beim Atlas Mountain Race seine Grenzen erreicht: Kann ja gut sein, dass du deinen Beitrag für lebenslange Kartendaten weltweit bezahlt hast. Welchen Wert das hat, wirst du dann bemerken, wenn du versuchst, die geplanten Region als Offline-Kartengrundlage vorab im schnellen WLAN zuhause auf deine Geräte herunterzuladen: Dann kommt die schmeichlerische aber ärgerliche Meldung "Du bist ein Pionier! Für diese Region liegen noch keine Offline-Karten vor". Aha. "Weltweit" ist also sehr relativ, die Welt von komoot besteht im wesentlichen aus Kontinentaleuropa. Der einwöchige Datenpass für Marokko ist im Zweifel auch nichts wert, denn ohne Netz und Offline-Kartengrundlage zeigt komoot zwar die GPS-Position, sonst aber nichts. Und das ist nutzlos. P.S. komoot wurde gerade an einen Investor verkauft, der dafür bekannt ist, alle Mitarbeiter zu entlassen, die Preise zu erhöhen und dann nur noch abzumelken. Wir werden sehen wie das bei komoot ist.


Ride with GPS hat mich jedenfalls positiv überrascht. Zwar habe ich nicht annäherd so viele Benutzungszeit wie bei komoot, aber nach angemessener Einarbeitung weißt du: Hier ist all das möglich, was komoot auch mit Premium-Abo nicht beherrscht: Individuelle POIs auf der Route eintragen, z.B. Wasserstellen oder Einkaufsmöglichkeiten, Hotels oder Schlafplätze. Eine große Route in Tagesetappen aufzuteilen, beherrschen beide Anwendungen. Die Genauigkeit bei Ride with GPS war in Marokko indiskutabel besser als bei komoot.


Überhaupt: Wie teilt man sich 1.300 irre Offroad-Kilometer richtig ein?


In meiner Altersgruppe gehöre ich immer noch zu den fittesten und schnellsten Teilnehmern - im Vergleich zur Leistungsspitze in solchen Extremwettbewerben bin ich jedoch ein alter lahmer Sack. Außerdem bin ich kein guter Bergfahrer, gehe bei Downhills kaum Risiko - und das kostet alles Zeit.


Welche Durchschnittsgeschwindigkeit ist also realistisch? Beim TRAKA 360 bin ich über 18 Stunden einen Schnitt von fast 20 km/h gefahren - das ist schnell auf Gravel und in anspruchsvollem Gelände. Das Traka360 ist aber auch relativ flach, nicht allzu technisch und schnell. Bei Badlands sank meine Durchschnittsgeschwindigkeit in Bewegung unter 15 km/h. Für das Atlas Mountain Race habe ich mit 10 km/h geplant: Genug, um das Finish im Zeitlimit zu erreichen, langsam genug, um stundenlange Schiebepassagen einzukalkulieren. Ich bin lieber 20 Stunden am Stück langsam und gleichmäßig auf den Beinen, das passt am besten zu meinen Möglichkeiten.


Entsprechend habe ich die gesamte Etappe in Tagesrouten aufgeteilt. Wäre alles nach Plan gelaufen, hätte ich das Finish am Nachmittag des siebten Tags erreicht.

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