Die härtesten Probleme sind die besten
(da knarzt was am Rad)

Hatte mal einen losen Harzwürfel im Carbon-Rahmen meines Gravelbikes. Das Geklappere trieb mich so lange in den Wahnsinn, bis ich schließlich mit einer Endoskopkamera übers Steuerrohr ins Oberrohr geguckt und den Würfel IM RAHMEN gefunden und fotografiert habe. Entfernen ließ er sich nicht. Der Hersteller wollte es erst nicht glauben, hat dann aber schließlich den kompletten Rahmen getauscht.
Aus der berüchtigten Liste "Geräusche aus der Hölle", heute: Da knarzt was am Rad. Jeder hat ja so Geräusche, die dich in den Wahnsinn treiben. Dieses ganz spezielle Kaugeräusch am Esstisch. Der Sprüharm in der Spülmaschine, der bei jeder Umdrehung an einen Teller stößt. Der auf den Wannenrand tropfende Duschkopf. Der zu laut tickende Wecker. Arrgh!
Unangefochtene Nummer eins meiner Geräusche aus der Hölle ist jedoch jede Art von Knarzen am Fahrrad. Das macht mich komplett wahnsinnig. Dazu muss man wissen, dass Radfahren für mich meistens mehr Meditation ist als Sport, zumindest auf dem Weg zum und vom Büro. Ich schalte da ab. Aber genau das ist vollkommen unmöglich, wenn was knarzt. Das ist etwa so, als setzt du dich in einem Raum voller Stechmücken zur Meditation. Bei jeder Kurbelumdrehung. Knarz, knarz, knarz. Alter! Das war doch heute Morgen noch nicht!
Leider sind Knarzgeräusche am Fahrrad komplex. Das kann alles sein: Eine lockere Schraube am Kettenblatt (es gibt davon fünf oder sechs), ein verschlissenes Tretlager, Reibungsgeräusche zwischen Tretlager und Tretlagerschale, zu wenig Fett am Pedalgewinde, ein kaputtes Kugellager oder einfach Dreck im Lager, reibende Rahmenteile, Reibung zwischen Sattelstütze und Sattelrohr usw. Endlos. Schwer einzukreisen, weil der hohle Fahrradrahmen das kleinste Geräusch verstärkt. Du kannst es auch nicht richtig lokalisieren. Mein Alltime-Hit bleibt der Harzwürfel, der lose im Oberrohr des Carbonrahmens steckte und ein Klappern verursachte, das partout nicht abzustellen war. Irgendwann habe ich mir eine Zwölf-Euro-Endoskopkamera fürs iPhone gekauft, mit ihr über den demontierten Steuersatz in den Rahmen geguckt und den losen Würfel gefunden (der Hersteller hatte dann ebenfalls viel Freude mit Fehlerbeschreibung und Doku).
Daheim also den Fehler einkreisen. Pedale runter, fetten, wieder dran, probefahren. Knarz, knarz. Pedale tauschen. Knarz, knarz. Wär ja auch zu schön gewesen. Schrauben am Kettenblatt prüfen, festziehen, sitzen aber eigentlich alle gut. Probefahren. Knarz, knarz. Ich dreh durch. Ok, Kurbel demontieren. Fuck. Dabei wollte ich doch einfach nur ein Weißbier trinken und den Rest des Abends versonnen an die Zimmerdecke starren! Ähm, Schraube am Tretlager, ging die nochmal im Uhrzeigersinn auf oder dagegen? Googlegoogle. Gegen. Hm. Sitzt ganz schön fest. Verlängerung für den Schlüssel holen. Wenn du das in die falsche Richtung hebelst, gehörst du der Katz. Dann ist das Lager am A... Ah ja, offen. Dichtungen runter. Stirnlampe, Kugellager prüfen. Kurbel rausklopfen. Ah, sieh da. Knarz, knarz. Öl reinsprayen. Lagerfett an die Dichtungen. Alles wieder festmachen. Die zwei Kilo getrockneten Isarschlamm zusammenfegen, die von Rahmen und Schutzblechen gebröckelt sind. Probefahren. Stille.
Ich sag Euch was: Die härtesten Probleme sind die besten. Aber nur, wenn man sie vor 22 Uhr gelöst bekommt.
Hollereiduliöh.
Nachtrag am 25.2.: Nach 15 Kilometern Gerüttel auf dem Gravel des Isarradwegs heute Morgen: Es ist weg. Komplett weg! Also dann, bis zur nächsten Episode...Ride On!