Großglockner über Stüdlgrat

Da geht's zua wia am Stachus

Wundervolle Tagestour über den höchsten Berg Österreichs, den Großglockner (3.798 m) bei idealen Bedingungen. Nachdem wir letztes Jahr Ende Juni in 3.400 Metern wegen einer aufziehenden Schlechtwetterfront und unglaublichen Neuschneemassen abbrechen und umkehren mussten - und auch den neuerlichen Anlauf vor zwei Wochen zunächst verschieben mussten, hat es dieses Mal endlich geklappt.

Großglockner

Von der Stüdlhütte ausgehend sieht der Glockner gar nicht so irre hoch aus. Allerdings sind wir hier bereits in 3.000 Metern. Rechts der Normalweg übre die Adlersruh, wir wählen für den Aufstieg zum Gipfel den Stüdlgrat links vom Bild.

Dritter Anlauf, Stüdlgrat:
26. August 2017


05:34 Nach kurzer Nacht auf der Stüdlhütte in 2.800 Metern, bescheidenem Schlaf wegen der Höhe und noch kürzerem Frühstück die ersten Lichtstrahlen des neuen Tags. Wir sind im Schein der Stirnlampen auf dem Weg zum Stüdlgrat. Die Silhouette im Hintergrund ist der Glockner. Da wollen wir rauf. Knapp 1.000 Höhenmeter - im Vergleich zur Watzmann-Ostwand mit Überschreitung zwar überschaubar (dort sind es 1.800 hm für die Ostwand plus 300 hm für die Überschreitung) aber aufgrund der Hochlage trotzdem nicht zu unterschätzen...


07:17 Das Licht des Tages schiebt sich über den Alpenkamm. Es ist mit fünf Grad plus angenehm mild und beinahe windstill. Ideale Bedingungen - sieht man von der zunehmenden Steinschlaggefahr ab, die bei dauerhaften Plusgraden rapide ansteigt.


07:26 Blick hinüber auf den Großvenediger. Er ist mit 3.657 Metern zwar etwas niedriger als der Großglockner - aber auch viel flacher. So hält sich der Gipfelgletscher deutlich besser als am Glockner.


07:27 Philipp steigt vor, wir klettern nach. Der Stüdlgrat ist allerschönste Plaisirkletterei in leichtem Fels und sehr gut abgesichert - beinahe schon zu gut - um nicht zu sagen, weitgehend entschärft. Allerdings in ziemlicher Höhe. Und das brüchige Gestein muss man auch mögen.


07:30 Hoch über dem Keidnitzkees-Gletscher löse ich die Sicherung, damit wir nachsteigen können. Die Sonne erscheint am Kamm.


07:34 Vor uns am Gipfelgrat bereits einige Seilschaften. Teilweise sind sie schon um halb zwei in der Früh (!) ausgerückt. Bei völliger Dunkelheit klettern finde ich freilich total bala: Vom gesamten Aufstieg nix sehen als nur den nächsten Griff vor der Nase? Kannste ja gar nicht genießen!


07:37 Der Herr Ulrich kraxelt über den unverwechselbaren Fels des Glockner (es handelt sich um Prasinit, ganz interessant zu googeln) und hat noch nicht die übliche Sonnenbrille auf, dafür aber durchaus einige Spuren von Anstrengung bzw. der allzu kurzen Nacht im Gesicht..


07:54 Kaum ist die Sonne raus, wird es warm. Und das auf 3.700 Metern! Es ist nicht zu fassen: Ich fange an zu schwitzen!


08:47 Am Gipfel hast du immer erst 50 Prozent der Tour. Bei uns sind es sogar deutlich weniger, weil wir heute noch den gesamten Berg bis zum Lucknerhaus abklettern und nach München zurückfahren wollen. Rechts: Seilkamerad Roland Bader, den ich bei der Tour kennengelernt habe, und der in punkto Erfahrung und Kondition prima zur Gruppe passte - alles andere als selbstverständlich.


08:47 Die Pasterze am Fuß des Großglockners. Der riesige Gletscher hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich abgenommen, ist aber noch immer gewaltig.


08:59 Der "Stau auf der A1" wie Philipp trocken die Bergsteigerkette am "Glocknerleitl" kommentiert (das ist der Übergang von Klein- zum Großglockner): Am Glocknergipfel bist du bei gutem Wetter niemals allein. Rund 30.000 Menschen kommen jedes Jahr hierher. Die eine Hälfte will noch rauf, die andere runter, es ist ein herrliches Gedränge. Die Meisten kommen über die einfachste Route, den Normalweg (der allerdings auch schon einiges an Können und Kondition erfordert). Wir sind dann rechts an all den Tschechen (der Erbauer der Stüdlhütte kam aus Prag; traditionell sind viele Osteuropäer am Glockner), Finnen und allen anderen im Stau vorbeigeklettert, über den Mürztaler Steig und die Burgwartscharte. Manchmal hat es eindeutig Vorteile, wenn man was beherrscht, was nicht alle können. Und wenn man einen Guide hat, der die Tricks kennt. Herzlichen Dank deshalb auch an Philipp Leopolter, der uns nicht nur kundig geführt hat, sondern auch erkannte, dass er uns eine alternative Abstiegsroute zumuten kann - und smart genug war, sie dann auch zu nehmen. Hat uns sicher zwei Stunden beim Abstieg gespart.


11:41 Kurz vor Rückkehr zur Stüdlhütte müssen wir bei der Durchquerung des Keidnitzkees noch ein paar Gletscherspalten überspringen. Schön, wenn sie so offen liegen wie heute. Letztes Jahr waren sie von Neuschnee bedeckt, das kann dann schnell heikel werden.


12:14 Der Glocknerkönig, mit 3.798 Metern höchster Berg Österreichs. So lange du noch noch nicht vom Berg herunter bist, gehörst du ihm. Erst wenn du wirklich unten bist, gehört er dir. Wir sind links hoch, das ist der Stüdlgrat, bis direkt zum Gipfel. Und rechts wieder runter, über den Kleinglockner, die Adlersruh, den Mürztaler Steig und die Burgwartscharte.


Die Stüdlhütte auf 2.801 m. Großartiges Essen, 120 Betten (im Lager), Sonnenterrasse, toller Ausgangspunkt. Muss man sich aber auch erst verdienen, der Aufstieg vom Parkplatz am Lucknerhaus (1.700 m) dauert rund eineinhalb bis zwei Stunden, je nach Kondition.


Servus Eich, bis irgendwann!




Erster Versuch, Normalweg (abgebrochen wegen Wettersturz): 19. Juni 2016


Gestern Abend um acht ein kurzer magischer Moment, als die Sonne auf 2.800 Metern kurz durch die Wolken kam. Wach um 4:39 Uhr, um kurz vor sechs Uhr dann der "Versuch": Der Alpenwetterdienst (und noch viel wichtiger: der Hüttenwirt) gab uns ein Zeitfenster bis ca. 12 Uhr. Für den Gipfel würde es nicht reichen, so viel war klar. Selbst wenn Du rauf kommst, musst Du ja auch wieder runter, und der Abstieg in verschneitem steilem Gelände ist weit schwieriger als der Aufstieg.


Man muss ganz klar sagen: Solche Touren würdest du bei den Wetteraussichten solo erst gar nicht antreten. Weite Anreise, hoher Zeitaufwand, langer anstrengender Zustieg, Gipfel eh nicht machbar. Aber es ist unfassbar schwierig, an den relativ wenigen guten Tagen in der Alpin-Hochsaison überhaupt eine Seilschaft zusammenzubringen, die nicht entweder unfassbar teuer wird - oder den Schwierigkeiten möglicherweise nicht gewachsen ist. Beides habe ich zur Genüge erlebt (die dritte Variante ist, dass zwar alles passt, aber ein Seilpartner sich überschätzt und dann in ausgesetztem Gelände blockiert oder beim Abseilen oder beim Abstieg auf verschottertem Blankeis (erlebt an der Marmolada). Das kommt beinahe noch häufiger vor und ist nicht nur nervig, sondern oft wirklich gefährlich. Also gehst du Kompromisse ein. Und ja, einen Schlafplatz auf der Stüdlhütte willst du ja auch reservieren. Natürlich kannst du auch draußen biwakieren, bei gutem Wetter ist das gar kein Problem. Aber nicht bei einem Wettersturz.


Rund 50 cm Neuschnee in den letzten drei Tagen - und das Ende Juni! Absurd, nachdem es den ganzen Winter über kaum geschneit hatte. Bei Neuschnee siehst Du die Gletscherspalten nicht richtig, und die gibt es am Glockner. Aus einem einfachen alpinen Kletterweg wird bei Eis und Schnee etwas sehr Anspruchsvolles. Auf rund 3.400 Metern sind wird schließlich umgekehrt und ziemlich still wieder abgestiegen.


Am Berg lernst du Demut. Vielleicht ist das wichtiger als der Gipfel. Großglockner, ich komme wieder!

Großglockner