
„Die Tanzenden wurden
für verrückt gehalten
von denjenigen, die die Musik
nicht hören konnten“
oder:
It’s only crazy until you do it
Hallo, ich bin Hartmut Ulrich.
Da du hierhergefunden hast, möchtest du vermutlich ein bisschen mehr über mich wissen. Privates wirst du nicht viel erfahren. Falls dich das interessiert, lass uns gerne irgendwo auf einen Kaffee treffen. Ein gutes Gespräch ist durch nichts zu ersetzen. Auf Facebook, Instagram findest du mich zwar noch – gezielt aktiv bin ich dort aber nicht mehr. Whatsapp, Twitter, TikTok usw. habe ich mittlerweile verlassen. Trotz – oder gerade wegen meiner jahrelangen Begeisterung für Social Media. Weiter unten ein paar Gedanken dazu.
Ich liebe Fahrräder, Ausdauersport, Berge – Berge ein bisschen mehr als das Meer. 1990 bin ich deswegen aus dem Badischen in den Süden gezogen, wo sich diese Leidenschaften mit dem beruflichen „was mit Medien“ gut kombinieren ließen. Meine Vita und ein paar Extras findest du bei LinkedIn. Auf Xing bin ich auch nicht mehr.
Eine kurze Geschichte über „Connecting the dots“
Medien- und Kommunikationskonzepte sowie ihre Umsetzung waren immer meine Aufgabe – als Chefredakteur, später als Agenturgeschäftsführer. Elf Jahre operative Verantwortung bei der Kommunikationsagentur Gingco.Net brachten reiches Marketingwissen und tiefe Insights in spannende Organisationen. Ich habe Unternehmenskunden wie Volkswagen und Audi beraten, E.ON, MAN Truck & Bus, Altana, den TÜV SÜD, die Betriebskrankenkasse des Volkswagen-Konzerns Audi BKK oder den Zentralverband der Elektroindustrie ZVEI. Congrats, Digger: Dieses Wissen ist nichts mehr wert. Was vor zehn Jahren erfolgreich war, wäre heute „Opa erzählt vom Krieg“.
Seit 2016 bin ich Geschäftsführer der BVA BikeMedia GmbH, einer Tochter der Gundlach-Gruppe. Der Fachverlag publiziert Medien rund ums Radfahren: Faltkarten, Bücher, Zeitschriften, digitale Formate und neuerdings auch Webinare und Podcasts (👉 Lousy Pennies). Seit über 137 Jahren. As I said: Congrats, Digger! Im Zeitalter exponentieller Entwicklungen wird sich in den kommenden zehn Jahren mehr verändern als in den vergangenen 137. Das Fahrrad war für mich immer eine Leidenschaft – und das Mediengeschäft bleibt ein Abenteuer der besonderen Art. Gerade weil es sich so fundamental umkrempelt. Der traditionsreiche Fachverlag steckt, wie alle Medienunternehmen, tief im digitalen Wandel und sucht seine Rolle in einer Welt, in der längst mehr um Screentime gekämpft wird als um Leser.
Der Kampf um Leser ist längst ein Kampf um Screentime
Eigentlich dürfte ich nicht mehr schreiben. Ich sollte filmen, Siebensekünder für vertical scrolling devices, Snackable Content für die Generation Goldfisch. So lange dauern die erfolgreichsten Bewegtbildposts auf TikTok, das Stand heute (Ende 2022) beim Organic Reach alle anderen Online-Plattformen bei weitem übertrifft. Zum Vergleich: Das durchschnittliche YouTube-Video ist immerhin elf Minuten lang (YT kopiert neuerdings TikTok mit seinen „Shorts“). Längst sind Hersteller selbst zu Medienproduzenten geworden, und man diskutiert nicht mehr über Zielgruppen, sondern über Customer Journeys, Touch Points, Conversions und Data Insights. Bei Fachinformationen geht es meist gar nicht mehr um den Inhalt. Sondern ums Verkaufen.
Nicht nur das Mediennutzungsverhalten hat sich verändert, auch die Konnotation für den Begriff „Inhalt“. Substanz hat sich schleichend verabschiedet, Content hat sie ersetzt. Content ist die Tonne, aus der das amorphe Fast Food einer Maschinerie ins Netz gekippt wird, die immer hungrig – und der Substanz völlig egal ist. „Wir leben in einer Verpackungskultur, die Inhalte verachtet“, hat der Schauspieler Anthony Hopkins gesagt. Ich fürchte, er hat recht. Content ist inflationierte Masse nach der Formel Masse+Mittelmaß+SEM=billige Reichweite, Hauptsache schnell und billig, immer häufiger maschinengeneriert von Bots (👉 chatGPT), die schnell lernen, unbegrenzt aktiv sind und gezielt ihre Agenda dort multiplizieren, wo sie Response messen, emotional, erregungsmustertauglich, engaging. Was zählt, ist der Outcome, die Conversion – ganz gleich, ob die Agenda kommerziell ist oder politisch.
Keine Kommunikationsform in der Geschichte der Menschheit hat mehr gesellschaftlichen Schaden angerichtet als diese kybernetische Maschinerie, die Authentizität propagiert und das Gegenteil ist. Der Kollateralschaden, den diese Mechanismen verursachen, rührt mittlerweile an das Demokratieverständnis. Aber das ist eine andere Geschichte (zur Vertiefung z. B. Peter Pomerantsev).
Suchmaschinen sind die Gatekeeper, künstliche Intelligenzen werden es sein.
Digitale Vernetzung hat Gutenberg längst abgelöst als wirkmächtigste gesellschaftliche Veränderungskraft, und wir sind gut beraten, uns so intensiv und differenziert wie möglich damit auseinanderzusetzen – keineswegs nur im geschäftlichen Kontext eines Fachverlags. Suchmaschinen sind die Gatekeeper, und die gesamte Welt tanzt nach den Spielregeln ihrer Algorithmen: Suchmaschinen bestimmen, welches Bild von der Welt wir uns machen. „Wir ertrinken in Informationen aber hungern nach Wissen“ hat John Naisbitt vor 30 Jahren gesagt. „Wissen ertrinkt in Myriaden von Informationen, deren Herkunft und Intentionen uns verwirren“, ergänzt das Zukunftsinstitut in einem Newsletter: Die Wissenskultur werde überschrieben vom Lärm einer „Infodemie“, in der „die Kontexte des Wissens langsam wegschwemmen (…) und alles, was wir zu wissen glauben, nur noch auf Reiz und Reaktion basiert“.
Und was passiert, wenn nur noch Maschinen mit Maschinen sprechen und wir Maschinen einsetzen, um dies zu erkennen? Wie viel Prozent der Kommunikationsströme bestehen jetzt schon ausschließlich daraus, etwas zu verkaufen, direkt oder indirekt, kommerziell oder politisch? Das Problem sind nicht Maschinen, die immer menschenähnlicher werden, sondern Menschen, die agieren wie Maschinen. Algorithmenlogik als Erfolgsrezept: Der „Content Shock„, über den wir schon vor zehn Jahren diskutiert haben, ist längst toxisch geworden.
Steht die „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ an einem Kipppunkt,
wenn nur noch Maschinen mit Maschinen reden?
Könnte es sein, dass die Ökonomie der Aufmerksamkeit sich auf einen Kipppunkt zubewegt, an dem ihre Mechanismen immer deutlicher erkennbar nicht mehr funktionieren? Und welche Trends ersetzen sie dann? (wie immer sind dabei Utopie und Dystopie zwei gleichzeitig existierende mögliche Quantenzustände, Schrödingers Cat Content, gewissermaßen).
Klingt nicht besonders ermutigend? „Mitten im tiefsten Winter wurde mir bewusst, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer wohnt“. Du musst Optimist bleiben – einfach, weil dies das bessere Leben ist: „Wir werden weniger arbeiten müssen als heute„, sagt Bill Gates, auf die AI-Revolution befragt. Die utopische Variante besteht darin, zu glauben, dass Maschinen schon bald einen Großteil der Arbeit machen werden und sich Menschen wie einst die „freien Bürger“ der antiken griechischen Polis der Muße widmen und zum Beispiel auf der Agora treffen können, um zu philosophieren. Das antike Griechenland als Wiege der europäischen Demokratie gründete sich auf der Arbeit unfreier Sklaven. Unter „freien Bürgern“ war Arbeit verpönt. Könnten nicht intelligente Maschinen diejenigen sein, die im 21. Jahrhundert den Großteil der Wertschöpfung erarbeiten (nach welchem Wirtschafts- und Verteilungsprinzip auch immer)? Oder wird es eher umgekehrt sein: Menschen werden zu Sklaven maschineller Superintelligenzen, die die Menschheit langfristig verdrängen, so etwa wie der Homo Sapiens Sapiensis dem Neandertaler so offensichtlich überlegen war, dass der Neandertaler ausstarb und nur eine Handvoll Gene im Homo Sapiens hinterließ?
Um den Wandel im Fachverlag zu gestalten, musst du alles in Frage stellen
Rasch zurück auf den Boden der Realität: Um den Wandel im Fachverlag zu gestalten, musst du so ziemlich alles in Frage stellen, Werkzeuge, Prozesse, Produkte, Geschäftsmodelle. Vor allem aber die Denkkultur. Du musst eine Art Rebellion anzetteln, ohne dabei die Kernwerte zu zerstören. Geht das überhaupt? Sprechen wir hier nicht über ein klassisches Innovator’s Dilemma? Der Gegenbeweis ist nicht erbracht (während ich das schreibe, zerschlägt Bertelsmann Gruner + Jahr und Axel Springer kündigt Stellenabbau und eine Revolution des Geschäfts durch künstliche Intelligenzen an). Aber es beflügelt ungeheuer, Mitstreiter zu gewinnen und zu sehen, dass sich trotzdem etwas bewegen lässt.
Sogar das Fahrrad befindet sich im Wandel – im Mobilitätswandel, der mit wachsenden Städten einhergeht und in größerem Kontext mit dem Klimawandel steht. Sind Fahrräder mit Elektromotor überhaupt noch Fahrräder? Neues zu wagen, heißt auch immer, die Angst vor dem Scheitern abzulegen. Auch das ist keine leichte Übung, besonders in Deutschland nicht (👉 German Angst). Die Alltagshöllen jedenfalls, zu denen wir unsere Städte über Jahrzehnte umgebaut haben, werden uns vorerst weiter begleiten. Hoffentlich nicht für immer! Und: Immer mehr Menschen entdecken das Fahrrad als das, was es tatsächlich ist. Eine Glücksmaschine. Am Wandel zu arbeiten, das ist ein echter Purpose.
Wirklich, interessante Zeiten!